Angekommen


Die Jungen von Schweinsbarbaren werden gemeinhin Barberkel genannt. Das Weibchen wirft etwa 3 hintereinander.
Das Besondere bei meiner Geburt war, dass meine Mutter, ihr Name ist Disau Grillbeef, lediglich ein Junges warf.
Schon im gewissen Sinne eine Besonderheit. Am Tag meiner Geburt standen auch schon alle bereit – mein Vater, Asudi Grillbeef, hochachtungsvoll, wie es sich für einen werdenden Vater gehört, der Doktor mit Namen Ali L. Fiesgeburd, der weitestgehend fast alles im Griff hatte und die Fangamme namens Lula Greifbiesd.
„Hnnngnaaaarghs..“.
Meine Mutter presste auf Anweisung des Arztes, dass es ihr das Blut in den Schädel trieb.
„Weiter so“. Der Arzt machte ein teilnahmsloses Gesicht. „und nochmal“
„Gngngngnaaahrooohmpft...“
Die Laute und Geräusche, die ich in meiner geborgenen Umgebung wahrnahm, machten mich nicht gerade neugierig auf das Leben ausserhalb und ich beschloss noch ein wenig zu bleiben.
„Der will wohl nicht, der kleine Racker“ kommentierte der Arzt die momentane Situation. Er griff zu einem altbewährten Mittel, das bei Schweinsbarbarengeburten allerorts üblich war, und donnerte der Schwangeren seine Faust auf den überdimensional geschwollenen Bauch. Zweimal und dreimal.
Mir dröhnte der Schädel. Bewusst nahm ich das Ganze zwar nicht wahr, aber ein unangenehmes Gefühl zeigte mir an, dass ich vielleicht besser doch nicht blieb.
„Rrrraahhrgsssss“ eine letzte Pressung und der grosse Wurf stand bevor. Kaum hatte ich meine schützende Wohnhöhle verlassen, als sich meine Mutter mich bereits griff und in Augenschein nahm. Sie griff das kleine Übel, das ihr solche Schmerzen bereitet hatte, betrachtete es für den Bruchteil einer Sekunde und schleuderte es von sich.
Dazu ist zu bemerken, dass dieser Vorgang durchaus normal war, denn unmittelbar nach der Geburt reagieren Schweinsbarbarinnen sehr emotional und impulsiv, was sich darin äussert, dass sie das Junge von sich werfen. Dabei zerreisst die Nabelschnur und somit sind Mutter und Kind getrennt.
Aus diesem Grund ist auch im Lauf der Zeit der Beruf der Fangamme entstanden. Ihre Aufgabe ist es, das frischgeworfene Junge aufzufangen. „Gratulation“ sagte der Arzt, ohne eine Miene zu verziehen, „es ist ein ...“. Er schwieg einige Sekunden und betrachtete mich lange. Mein Vater liess einen von Herzen kommenden Rülpser hören und schaute den Arzt ein wenig dämlich, aber durchaus erwartungsvoll an.
Meine Mutter hob den Kopf und stützte sich auf ihre Ellenbogen. „Was?!?“ hörte man sie scharf sagen.
„Nun, ähm – es ist ein Junge!“. Der Arzt wirkte ein wenig verlegen. „Juhu...rrrrps“ der Jubel meines Vaters entlud sich in einem weiteren Rülpser.
Die Fangamme wickelte mich in ein raues Tuch ein, das aus grauer Yetiwolle bestand, was meiner Meinung nach auch höchste Zeit war, da ich zum Bollogerbarmen fror und reichte mich meiner Mutter.
„Oh,“ sie sah mich, sagen wir mal liebevoll, an. „Er sieht aus wie ...“.
Ich glaube sie hat diesen Satz nie beendet.
„Darf ich dann um mein Honorar bitten ...“ wandte sich der Arzt an meinen Vater und auch die Fangamme trat schnell herbei und hielt ihre Hand auf. „Woollllen wir nich erst auuf dn Nahwus anstossn?“ mein Vater war wirklich nicht besonders gut dabei.
„Nun, äh, danke, aber wir müssen noch zu weiteren Geburten.“ Die Fangamme nickte heftig zustimmend. Es war zwar üblich und eine gern gepflegte Tradition, dass man nach der Geburt heftig dem Wein zusprach um auf das Glück und Gedeihen des Kindes zu trinken, aber an diesem Tag war alles anders. „Tut uns leid, aber ich glaube es eilt“. Mit diesem Satz riss er meinem Vater förmlich den Beutel Pyras aus der Hand und bevor dieser sich’s versah, waren er und seine kleine Familie auch schon allein.
Vater trat an das Bett heran, in dem Mutter und ich lagen. Ich sah eigentlich nichts und hören konnte ich im Grunde nur Geräusche und Laute. „Gutschigutschidolcegabanaarmani“ hörte ich irgendwie heraus. Etwas berührte mich an der Nase.
Es ist schon in Ordnung, dass Frischgeborene nichts sehen können, andernfalls hätte ich einen bleibenden Schaden beim Anblick des riesigen, lediglich zwei Fingerbreit entfernten breiten Schweinsbarbarenkopfes meines Vaters erlitten. Unter Umständen wäre dieser Schaden vielleicht nicht so hoch ausgefallen auf Grund der betäubenden Ausdünstungen aus Alkohol, die beim Sprechen seinem Mund entströmten.
„Isser nich schön ?!?“ lallte mein Vater und schaute meine Mutter erwartungsvoll an.
„Hmmm ...“. Ich spürte, dass etwas vielleicht doch nicht so war, wie es sein sollte, hatte aber natürlich keine Vergleichsmöglichkeiten. Langsam wickelte sie mich aus dem Tuch. Das Junge, das ihr in babyhafter Hilflosigkeit die Ärmchen entgegenstreckte, war gut gewachsen. Ein Gewicht von etwa 20 Pfund war normal, dieses hier wog bestimmt 30. Kräftige Beine, ein Ringelschwänzchen mit sage und schreibe vier Windungen, was eher aussergewöhnlich war, gut geformter Bauch und Oberkörper und ein, für Schweinsbarbaren, durchaus liebenswertes Gesicht. Wozu zu sagen ist, das nur eine Mutter ein solches Gesicht lieben kann.
Ihre Züge versteinerten. Die Arme, so kräftig sie auch waren, endeten nicht in Pranken, die ein stattlicher Schweinsbarbar üblicherweise besaß, sondern in Händchen mit insgesamt jeweils drei Fingern !! Eine Dicke Träne kullerte vom Gesicht meiner Mutter auf meinen Bauch.
„Das Erbe, der Fluch, hat uns erreicht“ brachte sie mit rauher, tränenerstickter Stimme hervor.
Mein Vater stand regungslos neben dem Bett und starrte meine Hände an.
„Wir werden ihn ersäufen müssen“,
schluchtzte meine Mutter.
In der familiären Hierarchie der Schweinsbarbaren dominiert eigentlich immer das Weibchen und ihr Wort ist Befehl und Gesetz.
Asudi’s Brust hob und senkte sich in rascher Folge, als er sich plötzlich zu voller Grösse aufrichtete und etwas folgenschweres äußerte : “Nöö“.
Verblüfft und verstört blickte Disau ihn an. „Ss iss mein einssiger Sohn und der bleibt ...!“
Liebevoll nahm er mich aus meiner Mutter Hände und hielt mich hoch. „Er kann nnichs dafür, dass meine Grossgrossmutter – du weiss schon ...“
„Ich nenne dich SAIUD, hörst du, kleiner Kerl ?“
Mutter blickte beide lange an. „So sei es denn“ sagte sie nur.